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OLG Brandenburg zur Untersuchungshaft und Verdunkelungsgefahr






OLG Brandenburg zur Untersuchungshaft und Verdunkelungsgefahr – Beschluss vom 15.01.2025



OLG Brandenburg zur Untersuchungshaft und Verdunkelungsgefahr – Beschluss vom 15.01.2025 (1 Ws 1/25)

Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg vom 15. Januar 2025 (Az.: 1 Ws 1/25) beleuchtet zentrale Aspekte der Untersuchungshaft, insbesondere die Verdunkelungsgefahr und ihre Bedeutung im Strafverfahren. Diese Entscheidung bietet wichtige Einblicke für Strafverteidiger und Betroffene gleichermaßen.

Was ist Verdunkelungsgefahr?

Die Verdunkelungsgefahr besteht, wenn der Beschuldigte den dringenden Verdacht erweckt, dass er Beweismittel manipulieren oder Zeugen beeinflussen könnte, um die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Dies kann ein Haftgrund für die Untersuchungshaft sein. Die Verdunkelungsgefahr ist ein dynamischer Haftgrund, der sich ändern kann, wenn neue Beweise hinzukommen oder der Beschuldigte ein Geständnis ablegt.

Wie wirkt sich die Verdunkelungsgefahr auf die Untersuchungshaft aus?

Wenn eine Verdunkelungsgefahr besteht, kann dies dazu führen, dass der Beschuldigte inhaftiert wird, um zu verhindern, dass er Beweise manipuliert oder Zeugen beeinflusst. Dies ist ein wichtiger Aspekt im Strafverfahren, da es die Integrität der Ermittlungen schützt. Die Verdunkelungsgefahr entfällt jedoch, wenn der Sachverhalt durch Geständnisse und gesicherte Beweise vollständig aufgeklärt ist.

Welche anderen Haftgründe gibt es?

Neben der Verdunkelungsgefahr gibt es auch die Fluchtgefahr und die Wiederholungsgefahr als Haftgründe. Die Fluchtgefahr besteht, wenn der Beschuldigte versucht, sich dem Strafverfahren zu entziehen, und die Wiederholungsgefahr, wenn er weiterhin Straftaten begehen könnte. Diese Haftgründe können kumulativ geprüft werden, was bedeutet, dass die Untersuchungshaft bestehen bleiben kann, auch wenn ein Haftgrund entfällt.

Wie lange kann die Untersuchungshaft dauern?

Die Dauer der Untersuchungshaft hängt von der Schwere des Tatvorwurfs und dem Ermittlungsstand ab. Grundsätzlich darf sie nicht länger als sechs Monate dauern, es sei denn, es gibt besondere Gründe, die eine längere Haft rechtfertigen. In komplexen Fällen kann die Untersuchungshaft jedoch verlängert werden, um sicherzustellen, dass alle Beweise gesammelt und ausgewertet werden können.

Hintergrund des Falls

Der Angeklagte befand sich seit dem 27. März 2024 in Untersuchungshaft. Am 13. November 2024 wurde er wegen Nachstellung in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, da der Angeklagte Revision eingelegt hat. Gegen den weiterhin bestehenden Haftbefehl legte er Beschwerde ein, mit der er die Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls unter Auflagen verlangte. Seine Argumentation: Es fehle sowohl am dringenden Tatverdacht als auch an einem Haftgrund, insbesondere der Gefahr der Verdunkelung von Beweisen im Strafverfahren.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg wies die Beschwerde zurück und bestätigte den Haftbefehl unter anderem mit Verweis auf die Wiederholungsgefahr. Hinsichtlich der Verdunkelungsgefahr traf das Gericht jedoch eine bemerkenswerte Feststellung: Diese sei nicht mehr gegeben.

Verdunkelungsgefahr – Wann liegt sie vor?

Die Verdunkelungsgefahr besteht, wenn das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird (Lutz Meyer-Gossner, StPO, 54. Auflage § 112 Rn. 26). Der dringende Tatverdacht muss auf bewiesenen Fakten beruhen, eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht hier nicht aus. Die Möglichkeit von Verdunkelungshandlungen reicht daher nicht für die Annahme einer Verdunkelungsgefahr aus. Ebenso wenig reichen bloße Vermutungen. In der Praxis wird oft aus dem Deliktscharakter geschlossen, dass bestimmte Straftaten, wie Steuerhinterziehung oder Korruption, bereits auf Verdunkelung angelegt sind.

Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegt, das durch eine detaillierte Beweisaufnahme untermauert wurde. Die Kammer sah den Sachverhalt als vollständig aufgeklärt an. Eine erneute Beweisaufnahme im Revisionsverfahren würde daher voraussichtlich keine neuen Erkenntnisse bringen, sodass die Gefahr einer Beeinflussung ausgeschlossen wurde.

Wiederholungsgefahr als Haftgrund

Trotz des Wegfalls der Verdunkelungsgefahr hielt das OLG an der Untersuchungshaft fest, da die Wiederholungsgefahr weiterhin bestand. Der Angeklagte hatte mehrfach gerichtliche Anordnungen ignoriert und sein strafbares Verhalten kontinuierlich fortgesetzt – selbst nach Gefährderansprachen und anderen Maßnahmen.

Fazit

Der Beschluss des OLG Brandenburg bietet wertvolle Orientierung für Strafverteidiger bei der Argumentation gegen Untersuchungshaft. Insbesondere zeigt er, dass ein umfassendes Geständnis und eine vollständige Sachaufklärung den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr entkräften können – allerdings nur dann, wenn keine anderen Haftgründe greifen.

Für Betroffene bleibt die Untersuchungshaft ein massiver Eingriff in ihre Freiheit, weshalb eine fundierte rechtliche Prüfung jedes Haftbefehls unerlässlich ist. Die Entscheidung unterstreicht zudem die Bedeutung präziser Verteidigungsstrategien in komplexen Strafverfahren.


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